Change Management
Drei Beispiele aus unserer Beratungspraxis und die zentralen Erfolgsfaktoren, die wirkungsvolles und nachhaltiges Change Management ermöglichen.
Erfolgreiche Transformation: 3 Unternehmen meistern Change-Prozesse – von Vertriebsreorganisation über kulturellen Wandel bis zur SAP S/4HANA-Conversion.
Veränderungsprojekte sind im dynamischen Wirtschaftsumfeld von heute an der Tagesordnung. Ob organisational, operational, strategisch oder technologisch motiviert – der Mittelstand ist gefordert, den Wandel zu antizipieren und sich an neue Wettbewerbsbedingungen oder Kundenbedürfnisse anzupassen. Es ist die Aufgabe des begleitenden Change Managements, die Organisation und die Mitarbeitenden strukturiert durch diesen Prozess zu führen, mögliche Störungen zu minimieren ¹ und die Ziele des Unternehmens abzusichern. Wie Change Management seine Wirkung entfalten kann, beschreibt Senior Managerin Kristina Ghalari in 3 anonymisierten Change Management Beispielen aus unserer Beratungspraxis.
Das erste Change Management Fallbeispiel erzählt von einem Unternehmen, das den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren drohte. Das Hauptaugenmerk richtete sich strategisch zunächst auf das Key Account Management (KAM). Das Problem: Strukturen und Prozesse im Vertrieb waren nicht im notwendigen Maße mit dem Markt gewachsen. Zudem sorgten neue Anbieter für einen intensivierten Wettbewerb, der für das Unternehmen sehr herausfordernd war. Der Vertrieb erwartete, dass die Nachfrage anhaltend groß bleibt und das Marktsegment eine friedliche Koexistenz mehrerer Anbieter ermöglicht. Das mag in Pioniermärkten für kurze Zeit der Fall sein, bleibt aber nie von Dauer. Aus diesem Grund mussten neue Strukturen und Rollenverteilungen für das KAM erarbeitet und etabliert werden.
Über diese Restrukturierung hinaus bedurfte es einer Haltungsänderung in Vertrieb und Verkauf, bis in die Tonalität und Wortwahl hinein, die kompetitive Elemente und geschäftliche Ambition vermissen ließen. Das Unternehmen musste lernen, veränderte Kundenbedürfnisse zu antizipieren und den Wettbewerb zu akzeptieren. Das rüttelte durchaus am Selbstverständnis von Führungskräften und Mitarbeitenden, deren Vision es war, gemeinsam mit anderen Unternehmen in dem Segment die Welt ein Stückchen besser zu machen.
Mit begleitendem Change Management konnten erste Hürden genommen und neue Handlungsweisen angestoßen werden. Ganz im Sinne einer „Starthilfe“ für eine kulturelle Transformation. Eine intensive Kommunikation und Koordination zwischen Personalabteilung, Vertriebsleitung, Geschäftsführung, Projektteam und letztlich auch dem Betriebsrat ermöglichte den Fit zwischen der Sachebene und unterschwellig vorhandenen Emotionen. Interne Skeptiker:innen wurden in den Change-Prozess aktiv eingebunden und durch eine transparente Kommunikation über Ziele, Notwendigkeit der Veränderung sowie Ablauf und Auswirkungen des Projekts überzeugt. So war es ebenso möglich, Widerstände ² gegen eine deutlich verlängerte Zeitschiene für das Vorhaben zu überwinden. Der Vertrieb konnte erfolgreich reorganisiert und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichergestellt werden. Hierfür wurden nach und nach auch Stakeholder für das Vorhaben gewonnen, die sich zunächst irritiert oder verärgert gezeigt hatten – aber das betraf nicht alle. Das Ziel von Change Management ist eben nicht, alle Betroffenen glücklich zu machen oder für eitel Sonnenschein zu sorgen. Zuweilen müssen spezifische Interessen von Stakeholdern gezielt hinter den zu erreichenden Projektzielen zurückstehen.
Veränderung vollzieht sich für manche Unternehmen in konzentrischen Kreisen. Schritt für Schritt wird weiterreichender Veränderungsbedarf sichtbar. Bei diesem Change Management Beispiel stand am Anfang ein Purpose-Projekt, an das sich eine Kulturentwicklung anschloss. Kurz darauf wurde zudem ein Strategieprojekt gestartet, da die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nach einer neuen strategischen Positionierung verlangte – sowohl mit Blick auf das Bestandsgeschäft als auch mit der Option auf substanzielle, neue Geschäftsfelder. Nicht zuletzt galt es, die wirtschaftliche Performance des Unternehmens auf ein höheres Niveau zu heben.
In einem Big Picture wurde ein valides Leitbild für die Zukunft des Unternehmens in den Dimensionen Strategie, Wirtschaftlichkeit und Kultur entworfen. Dabei wurde der Veränderungsbedarf des Unternehmens neu und ganzheitlich erfasst und entschieden, ein übergreifendes Transformationsprogramm zu etablieren, in dem auch die Kultur- und Strategiearbeit zusammengeführt wurde.
Das Change Management setzte mit einer Impact-Analyse ein. Die Leitfrage war: Wer im Unternehmen ist wie intensiv von welcher Veränderung wann betroffen? Ein dezidierter Kommunikationsplan sorgte für Transparenz und Information. Eine fundierte Change Benefit Story förderte das gemeinsame Verständnis für Gründe, Ziele und Nutzen des Wandels. Kulturelle Interventionen und Maßnahmen prägten bereits die Art und Weise des Change Managements, das mit einem holistischen Ansatz die Organisation auf die Veränderung vorbereitete und die Menschen in den Prozess eingebunden hat. Im nächsten Schritt wurden die Führungskräfte für die Dynamik des Wandels sensibilisiert. Dafür trainierten sie intensiv, wie sie persönlich mit dem Change umgehen und gleichzeitig adäquat auf die Mitarbeitenden eingehen konnten.
Sounding Boards gaben den Stakeholdern und den Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Ideen aktiv zu verproben und den Aufbau einer Change Community vorzubereiten. Als „Kraftzentrum“ soll diese Gruppe den auf mehrere Jahre angelegten Transformationsprozess voranbringen.
Das Unternehmen befindet sich nun erfolgreich auf dem Entwicklungspfad. Die Organisation hat sich eine iterative Vorgehensweise angeeignet, um die strategischen Ziele des Unternehmens zu konkretisieren und umzusetzen.
Hervorzuheben ist bei diesem Fallbeispiel die Bedeutung des Project-Branding-Prozesses mit dem Kick-off-Event als herausragendem Ereignis. Dazu wurden alle Mitarbeitenden eingeladen. Inhaltlich standen das Zielbild der Transformation, das im zuvor durchgeführten Big-Picture-Workshop erarbeitet wurde, sowie das umfassende Programm für die verschiedenen Transformationsbereiche im Mittelpunkt. Dieses Event diente nicht nur der Information, sondern setzte bereits auf intensive Change-Management-Maßnahmen, um die Mitarbeitenden zu motivieren und auf den bevorstehenden Wandel einzuschwingen. Mit gezielten Methoden und begleitenden emotionalen Elementen wurde die Belegschaft motiviert und aktiviert.
Der Status aktuell: Das zuvor erarbeitete Kommunikationskonzept gewährleistet eine kontinuierliche und strukturierte Anschlusskommunikation und unterstützt als verbindendes Element die Integration von Programm- und Change-Management. Darüber hinaus werden kontinuierlich Veränderungen in den einzelnen Transformationsbereichen und damit verbundene Change-Management-Bedarfe identifiziert und gemanagt. Dies geschieht durch gezielte Ansprache und durch adäquate Angebote zur Befähigung der Mitarbeitenden, damit sie sich aktiv und selbstwirksam an den Veränderungsprozessen beteiligen können. Eine entsprechende Kommunikation der erzielten Erfolge hilft dabei, positive Erfahrungen zu verstärken und zu manifestieren.
Für Unternehmen mit SAP als Enterprise Resource Planning System (ERP) ³ führt kein Weg daran vorbei, auf die neue Version S/4HANA umzusteigen. Der Grund: Der Support für das Altsystem endet im Jahr 2027. Es ist deshalb unabdingbar, zumindest einen Teil der Prozesse und Arbeitsweisen an das neue System anzupassen.
Für eines unserer Kundenunternehmen mit dutzenden internationalen Tochtergesellschaften, hoher Prozessdiversifikation und tausenden Endnutzern war dieser Wechsel alles andere als eine triviale Aufgabe. Schon kulturell stellte das Veränderungsvorhaben eine Herausforderung dar: Der typisch mittelständische, pragmatisch-lösungsorientierte Ansatz der Vergangenheit hatte eine Kehrseite. Die autarken Tochterunternehmen hatten individuelle Prozesse, die über ein jederzeit abrufbares Customizing im ERP-System abgebildet waren, kollaborierten kaum und nutzten bei weitem nicht die verfügbaren, modernen Möglichkeiten für ihre Zusammenarbeit aus. Wenn es um Zahlen, Daten und Verabredungen für (gemeinsame) Kundenaufträge ging, wurde es unnötig kompliziert. Darunter litt in der Vergangenheit häufig das Kundenerlebnis. Das Unternehmen erkannte, dass in der Umstellung auf SAP S/4HANA ein strategischer Hebel für einen Veränderungs- und Optimierungsprozess liegen würde und hat diesen frühzeitig angestoßen. Die Überschrift hierbei lautete: „sinnvolle Standardisierung“.
Wer die Potenziale einer Conversion auf SAP S/4HANA wirklich heben will, muss einerseits die sogenannten „Pflichtänderungen“ (s. Info-Box) sauber konzeptionieren respektive umsetzen und andererseits ein möglichst hohes Maß an Standardisierung anstreben. Mit diesem Ziel vor Augen erfolgte eine erste Harmonisierung von Abläufen und Schnittstellen über die gesamte Gruppe hinweg. Von gewohnten Eigenprogrammierungen und Insellösungen musste teilweise Abschied genommen werden. Daraus ergaben sich fast zwangsläufig Zielkonflikte, die ein robustes Change Management glätten oder eskalieren konnte. Die Erfahrung zeigt: Fachbereiche neigen dazu, ihre liebgewonnenen und aus ihrer Perspektive bewährten Systeme beibehalten zu wollen. Für die IT hingegen ist ein pflegeleichtes, standardisiertes und einheitliches Enterprise Resource Management (ERP) der Traum.
Unter SAP S/4HANA gibt es neue Anwendungen und Funktionen, welche die bisherigen Anwendungen und Funktionen ersetzen. Diese neuen Funktionen müssen im Rahmen der Conversion in bestehende Prozesse integriert werden oder umgekehrt müssen betroffene Prozesse angepasst werden. Weiterhin gibt es Anwendungen und Funktionen, die unter SAP S/4HANA nicht mehr zur Verfügung stehen. Dafür müssen neue Optionen gefunden und im Rahmen der Conversion eingerichtet werden. Das Wort „Pflichtänderung“ ist dabei kein offizieller Begriff, sondern wird oftmals innerhalb von Projektteams genutzt, um zu unterstreichen, was gemacht werden muss (wohingegen Änderungen „zurück zum SAP-Standard“ eher Strategie sind).
Das Unternehmen setzte in dieser Transformation von Beginn an auf Transparenz. Die Herausforderungen im Projekt wurden ebenso kommuniziert wie die Erfolge. Das Change Management sorgte mit einer guten Mischung aus bewährten Tools ⁴ wie der Impact- und Stakeholder-Analyse als auch mit engagierter „Kulturarbeit“ innerhalb der Projektorganisation dafür, dass die Ziele erreicht werden konnten. Insbesondere die Stakeholder – dutzende Gesellschaften bedeuten auch dutzende Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer – wurden in den regelmäßigen Austausch zum Veränderungsprozess eingebunden.
Organisatorisch wurde die Leitung der Teilprojektteams, die für die Konzeption und Implementierung von S/4HANA verantwortlich zeichneten, doppelt besetzt – IT und Fachbereich arbeiteten eng und vertrauensvoll zusammen. Eindeutige Absprachen zur Frequenz und zum Charakter von Meetings, zum Dokumenten-Management und zum Informationsfluss, zu den Entscheidungswegen und zur Kommunikation förderten den Ablauf des Projekts. Gleichzeitig signalisierten diese Maßnahmen, wie sich die Zusammenarbeit im Unternehmen künftig effektiver gestalten lässt. Aus designierten Vertreterinnen und Vertretern der Tochtergesellschaften wurde ein Koordinator:innen-Netzwerk formiert. Hier informierte das Projektteam regelmäßig und transparent über den Projektverlauf sowie über die anfallenden Aufgaben in den Gesellschaften und Bereichen – und erhielt umgekehrt direkt konkrete Anforderungen und Stimmungsbilder aus der Organisation. In intensiven Retrospektiven ⁵ und Reflexionsrunden wurden die Erfahrungen ausgetauscht, Best Practices vorgestellt und Meinungsverschiedenheiten adressiert. Für die Endanwender:innen ist ein passgenaues Schulungs- und Trainingskonzept aufgesetzt worden, damit der Umstieg auf SAP S/4HANA in den Gesellschaftepoten möglichst reibungslos gelingen konnte.
Das Change Management hat in diesem Conversion-Projekt nicht nur viel Sand aus dem Getriebe genommen. Vielmehr hat es sichergestellt, dass inhaltliche Herausforderungen gut gemeistert werden konnten, der zeitliche Rahmen eingehalten wurde und Führungskräfte wie Mitarbeitende rasch und motiviert in der neuen Software- und Prozesswelt arbeitsfähig waren.
Seit dem Go-Live geht’s mit vielen Learnings im Gepäck weiter: Die Unternehmensgruppe arbeitet in der nächsten Welle des Projekts weiter an der Optimierung von Prozessen und Systemen – und nach den guten Erfahrungen selbstverständlich mit Change-Management-Begleitung.
Diese drei Case Studies aus unserer Beratungspraxis zeigen: Der Umfang und die Dauer von Change Management können je nach Situation stark variieren. Idealerweise sollte Change Management nicht nur als Begleitung einzelner Veränderungsprojekte verstanden werden, sondern als strategischer Prozess, der Unternehmen bei langfristigen Transformationen über mehrere Jahre hinweg unterstützt. Dabei leistet Change Management sowohl auf der Ebene des Gesamtunternehmens als auch bei konkreten Veränderungen für spezifische Zielgruppen einen wesentlichen Beitrag. Die Fähigkeit, sich flexibel an verschiedene Bedürfnisse und Dynamiken anzupassen, ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg.
Redaktionelle Unterstützung: Bettina Dornberg & Christoph Berdi (die „Identitätsstifter“).
Quellen