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    Kunden-Interview: Catensys über Carve-out-Herausforderungen und SAP-Support-Outsourcing als Lösung

    Dass Konzerne Teile ihres Geschäfts ausgliedern, ist kein unüblicher Vorgang. Doch was passiert in solchen Fällen mit der SAP-Anwendungsbetreuung, wenn diese im Vorfeld über die Muttergesellschaft bereitgestellt wurde? Diese Frage musste sich auch Catensys, ehemals Teil der Schaeffler AG, stellen. Das Unternehmen entschied sich dazu, den SAP-Support für alle internationalen Standorte auszulagern.

    Im Rahmen einer Veranstaltung in Filderstadt hatte die Mittelstand Heute Redaktion die Möglichkeit, den CIO von Catensys, Björn Bodenstein, in einem Interview ausführlich zu der Maßnahme zu befragen. Die Einblicke sind auch für Unternehmen interessant, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.

    Die Ausgangslage: Ausgliederung einer Gesellschaft, kein SAP-Anwendersupport mehr

    Mittelstand Heute: Bevor wir ins Thema einsteigen, erzählen Sie doch kurz etwas zu sich selbst und zu der IT-Organisation, in der Sie tätig sind und für die Sie verantwortlich sind.

    Björn Bodenstein: Erst mal vielen Dank für die Einladung heute nach Filderstadt. Ich freue mich sehr, hier bei Ihnen zu sein und den Weg der Catensys der letzten drei Jahre vorzustellen. Mein Name ist Björn Bodenstein. Ich bin der globale IT-Leiter der Catensys-Gruppe. Die Catensys ist aus einem Carve-out der Schaeffler AG entstanden. Ich bin seit August 2022 dort zuständig für den IT-Bereich, aber auch für Themen wie Digitalisierung und IT-Security. Zwei, drei Worte zur Catensys: Wir machen Chain Drives, also überwiegend Steuerketten für den Verbrennungsmotor und haben weltweit an 8 Standorten in 7 Ländern circa 600 Mitarbeiter.

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    Mittelstand Heute: So ein Carve-out bringt natürlich auch immer Herausforderungen mit sich, einmal vom Business her, ganz klar, aber auch Einschnitte in die IT-Landschaft. Und gerade bei so einem historisch gewachsenen Konzern ist die Neuausrichtung sicher auch eine Herausforderung. An welchem Punkt haben Sie aus der IT gedacht: Jetzt entscheidet sich, ob wir diesen Prozess bestehen und ob wir in eine sichere Zukunft wandern?

    Björn Bodenstein: Die ersten zwölf Monate waren eine extreme Belastung. IT-seitig nicht bestehen heißt ja, dass eigentlich auch das Unternehmen mittelfristig nicht bestehen kann. Wir hatten somit nur die Wahl, erfolgreich zu sein . Das war von vornherein klar.

    Im Sommer 2022 wurden Schaeffler und Catensys als Unternehmen getrennt. Das Closing hatte stattgefunden. Aber die Herausforderung war, dass die meisten IT-Services und IT-Infrastrukturen, die Catensys genutzt hat, noch in der Schaeffler-Umgebung stattgefunden haben. Die Catensys hat zum Zeitpunkt des Carve-outs weitestgehend keine eigene IT gehabt.

    Wir hatten ein gut integriertes SAP-System. Unsere Mitarbeiter haben darin gearbeitet, das Projekt war abgeschlossen. Wir hatten aber kein IT-Team oder SAP-Team, welches die Betreuung des Systems vornahm. Und so stand man da – quasi ohne SAP-Support im Haus.

    Bereits wenige Tage nachdem der SAP Support vom Projekt eingestellt worden ist, kamen die ersten kleinen Probleme: Ich kann keine Rechnung erstellen, die Lieferpapiere sind nicht korrekt, der Lieferant bekommt keine Bestellung. Tagtägliche, einfache Probleme, wo wir aber niemanden hatten, der sie lösen konnte.

    Mittelstand Heute: Wenn plötzlich niemand mehr da ist, der operative SAP-Probleme lösen kann, gerät der gesamte Ablauf schnell ins Stocken – besonders in einer Branche mit eng getakteten Prozessen wie der Ihren. Wie genau profitieren Sie bei Catensys heute von den Global Application Services – auch im Tagesgeschäft?

    Björn Bodenstein: Für uns war entscheidend, dass wir wieder schnell handlungsfähig wurden – ohne eigene Ressourcen kurzfristig aufbauen zu müssen. Die Global Application Services liefern genau das: schnelle Reaktionszeiten, praxiserprobte Lösungswege und Expertise, auf die wir uns verlassen können. Gerade im Automotive-Umfeld, wo Prozesse eng getaktet sind, brauchen wir Stabilität im Betrieb und Flexibilität im Support – beides bekommen wir aus einer Hand. Das entlastet unser Team spürbar und gibt uns die Sicherheit, uns auf strategische Themen zu konzentrieren.

    Mittelstand Heute: Zum Thema Schnittstellen: Wie haben Sie das gelöst, dass Sie diese kontinuierlich aufrechterhalten haben – gerade in Richtung OEMs, Logistikpartner?

    Björn Bodenstein: Hier haben wir eine ganz klare Priorisierung gemacht. Wir reden über Kunden, Lieferanten, Logistikpartner. Wer hält eine Catensys am Leben? Das sind die Kunden, sie zahlen uns. Daher war ganz klar Priorität, die Schnittstellen vom Kunden aufrechtzuerhalten.

    Hier haben wir das Produkt „EDI Zone“ sehr schnell eingeführt und die EDI-Verbindung zu unseren Kunden relativ geräuschlos aus der Schaeffler-Umgebung in unsere neue EDI Zone-Umgebung migriert. Die Lieferantenseite haben wir erst mal mit E-Mail-Verkehr am Laufen gehalten. Mittelfristig haben wir dann Supply-On zur Verfügung gestellt und wichtige Logistikpartner direkt an unser System eingebunden.

    Skalierbarkeit als wichtiges strategisches Ziel

    Im Zuge der Carve-out-Transaktion hat Catensys eine neue IT-Strategie definiert. Der wichtigste Punkt in dieser Strategie war für den Zulieferer die Skalierbarkeit. Die Besonderheit: Für das Unternehmen geht es hier nicht um Wachstum, sondern um kontrolliertes Downsizing – denn die Nachfrage nach Verbrennungsmotoren, und somit auch nach Steuerketten, wird aller Voraussicht nach kontinuierlich sinken. Dies ist einer der Hauptgründe, aus denen Catensys bewusst auf IT-Outsourcing und die Cloud setzt.

    Mittelstand Heute: Zur IT-Strategie: Wie geht es denn in Richtung Skalierung weiter? Wie sieht der Weg nach vorne aus?

    Björn Bodenstein: Im August 2022 haben wir als erstes eine IT-Strategie erstellt. In der IT-Strategie haben wir Leitplanken gesetzt und gesagt, wir wollen eine moderne, skalierbare IT-Umgebung aufbauen. Alles, was wir danach eingeführt haben, haben wir immer auch unter der Messlatte gemacht: Wir müssen es skalieren können.

    Warum Skalierung? Für uns ein ganz großes Thema! Wir sind im „Sundown Business“. Wir wissen, mit unseren Ketten werden wir nicht mehr große Wachstumsmärkte erschließen. Wir können noch viele Jahre gute Produkte liefern. Das ist unser Ziel. Aber wir müssen immer skalieren. Und daher haben wir gefragt: Wie können wir skalieren?

    Punkt eins: Wir haben keine Rechenzentren aufgebaut. Wir sind total in die Cloud gegangen. Das ist auch weiterhin Credo: „Cloud first“, eigentlich auch „Cloud only“. Zweiter Punkt, wo wir skalieren können, ist das Thema Software. Wir machen viel mit Subscription, Software-as-a-Service. Und Punkt drei: Wir haben uns ganz klar dagegen entschieden, ein großes IT-Team aufzubauen. Für IT-Services die vom Business benötigt wurden und nicht intern darstellbar waren, haben wir Service Partner gesucht Ein IT-Service, der eingekauft ist, den kann man gut skalieren – nach oben, nach unten.

    Internationaler SAP-Support wurde über Global Application Services sichergestellt

    Neben einer guten Skalierbarkeit benötigte Catensys einen internationalen SAP-Support für ihre Standorte in Europa, Asien und den USA. Der Automotive-Zulieferer hat sich in diesem Kontext für die Global Application Services der All for One Group entschieden. Diese basieren auf dem United VARs-Netzwerk, einer führenden Allianz von SAP-Lösungsanbietern mit weltweiter Präsenz.

    Die Besonderheit: Es existiert nur ein zentraler Vertrag mit einem Service-Provider (der All for One Group), der Support wird jedoch von einem lokalen Partner am jeweiligen Catensys-Standort erbracht. Dieser spricht die Landessprache, teilt die Kultur und besitzt Expertise hinsichtlich regionaler Besonderheiten – etwa im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben.

    Mittelstand Heute: Wie unterstützen wir Sie als zentraler Service-Provider im operativen Alltag – in Form von Changes, Incidents, aber auch im Rahmen von Projekten? Haben Sie ein konkretes Beispiel, wodurch die Zusammenarbeit greifbarer wird?

    Björn Bodenstein: Wichtige Grundlage für den alltägliche Betrieb ist das Ticket-Portal. Darüber laufen 70 bis 80 Prozent der Aktivitäten – Incident-Abwicklung, Service-Request, kleinere Änderungen. Ganz wichtig ist uns dabei die globale Standardisierung. Das erreichen wir auch durch einen definierten einheitlichen Ticket-Prozess. Dieser steuert anhand der Kategorisierung unter anderem, ob sich All for One oder ein lokaler Partner um Tickets kümmert.

    Wir haben in den letzten zwei Jahren nach der Stabilisierungsphase dann auch kleine Projekte darüber umgesetzt. Unser neues System war grundsätzlich am SAP Standard stark orientiert, wir haben dann Step-by-Step Optimierungen angestoßen. Eine Optimierung war zum Beispiel Scanner in der Produktion und in den Lagerhäusern einzuführen. Anstoß und Konzept kamen aus unserem neuen Werk Nanjing. All for One wurde der Implementierungspartner. Lokal hat es dann QZing [Anm.: der United VARs-Partner in China] eingeführt. Ist vor Ort zu den Mitarbeitern gekommen, hat diese trainiert, die Technik teilweise mit eingerichtet und hands-on beim Go-Live unterstützt. Dasselbe haben wir dann in den USA mit Answerthink [Anm.: der United VARs-Partner in USA] umgesetzt: dieselben Prozesse, aber wiederum lokale Einführung mit dem Dienstleister und den Kollegen vor Ort.

    Aus der Praxis

    Was Kunden an Global Application Services am meisten schätzen:

    • Know-how hinsichtlich der lokalen Rechtslage (zum Beispiel Dokumentationspflichten in Indien)
    • Gleiche Zeitzone und schnelle Reaktionszeiten
    • Bis zu 24/7-Support (auch für bestimmte Module wie die Produktion)
    • Geringe Sprachbarrieren vor Ort
    • Projektunterstützung durch Partner vor Ort

    EDI-Anbindung ebenfalls Bestandteil der Servicevereinbarung

    Auch das Thema EDI ist für Automobilzulieferer wie Catensys bedeutsam. Das gilt vor allem im Hinblick auf

    die OEM-Kommunikation. Aufgrund der Application Management Services der All for One muss sich das Unternehmen nicht mehr selbst um die technische Anbindung von Partnern kümmern.

    Mittelstand Heute: Wie unterstützen die Application Services bei der EDI-Thematik?

    Björn Bodenstein: Die erste wichtige Säule ist für uns die EDI Zone, die cloudbasierte EDI Infrastruktur im Background. Ich als IT-Leiter merke von dem Produkt eigentlich gar nichts, außer, dass ich mal eine Rechnung auf den Tisch bekomme. Die zweite wichtige Säule ist der AMS-Service, dieser deckt in Zusammenarbeit mit unseren Key-Usern den gesamten EDI-Lifecycle ab.

    Ein typisches Beispiel: Onboarding eines neuen Kunden. Unser Vertrieb übergibt die Kunden-Kontaktdaten an den EDI Service Manager. Dieser macht die Koordinierung mit den Kunden. Er kümmert sich darum, die Standards abzustimmen, die Mappings anzupassen, die Verbindung aufzubauen. Er unterstützt bei Tests, sorgt sich um das Monitoring und den nachträglichen Support.

    Weiterentwicklung und Optimierung: Das plant Catensys gemeinsam mit All for One

    Catensys ist bestrebt, seine SAP-ERP-Lösung (derzeit noch ECC 6.0) kontinuierlich weiterzuentwickeln. Unter anderem beschäftigt sich das Unternehmen mit der Effizienzsteigerung durch Prozessautomatisierung.

    Mittelstand Heute: Was ist Ihre langfristige Strategie? Welche Optimierungsmöglichkeiten haben Sie im ERP-Kontext konkret identifiziert?

    Björn Bodenstein: Das eine ist der Technik-Ansatz. Wir möchten schauen, dass wir weiterhin alles cloudbasiert machen. Unser ECC 6.0 wird in der Cloud gehostet, bei HANA wird es mindestens weiterhin Cloudhosting sein, vielleicht nutzen wir auch den RISE Ansatz. EDI Zone ist ebenfalls ein Cloud-Produkt. Ganz neu eingeführt haben wir letztes Jahr Document AI für den Rechnungseingangsworkflow. Auch hier wollten wir etwas Skalierbares, ein Cloud-Produkt, und haben das dann mit der All for One vorangetrieben.

    Weiterhin plant das Unternehmen laut Bodenstein folgende Maßnahmen und Projekte:

    • Ausweitung und Abschluss der Scanner-Projekte
    • Optimierung und Automatisierung internationaler Intercompany-Logistikprozesse
    • Stammdatenoptimierung und Datenbereinigung

    Die Learnings: Darauf kommt es bei Carve-out-Projekten an

    Catensys ist durch den gesamten Carve-out-Prozess gegangen und kennt die Herausforderungen solcher Maßnahmen daher heute sehr genau. Für andere Unternehmen, denen solch ein Vorgang bevorsteht, hat CIO Björn Bodenstein mehrere Tipps parat.

    Mittelstand Heute: Haben Sie eine Empfehlung an Kolleginnen und Kollegen, die gerade in einem Carve-out-Projekt stehen und überlegen, Services an einen Dienstleister auszulagern?

    Björn Bodenstein: Was uns als Catensys geholfen hat: Dass wir sehr früh eine ganz klare IT-Strategie zusammen mit der Geschäftsleitung aufgestellt haben. Das kann man jedem empfehlen und hier war auch der Punkt Outsourcing enthalten. Durch diese Strategie waren wir in der Lage, relativ schnelle Entscheidungen zu treffen. „Keep it simple“ ist hier das Schlagwort. Nicht fünf Anbieter kontaktieren, lange Entscheidungsrunden machen, Konzepte erstellen, die innerhalb weniger Wochen überholt sind. Im Zweifel, gerne auch mal auf das Bauchgefühl hören.

    Punkt zwei: Trotzdem die Zeit nehmen, die Services mit dem ausgewählten Provider ordentlich abzustimmen. Was erwarte ich als Kunde von dem Service? Was kann der Provider liefern? Das ist wichtig.

    Und Punkt drei ist, zu vereinbaren, wir machen nach drei Monaten, nach sechs Monaten so eine Art Review-Phase. Wir setzen uns nochmals an einen Tisch, nehmen Services raus, die nicht funktionieren, nehmen vielleicht neue Services rein oder drehen an der Aufwandschraube – Kontingent hoch oder runter.

    Und prinzipiell kann ich sagen: Ich habe früher immer darauf gesetzt, mit dem internen IT-Team zu arbeiten, Know-how intern zu haben, Kapazitäten zu schaffen. Mittlerweile sehe ich eher: Outsourcing ist mindestens genauso gut. Also keine Angst vor Outsourcing! Man stellt dem Unternehmen, den Mitarbeitern, einen stabilen, qualitativ guten Service zur Verfügung. Und seitens IT kann man auch mal Freitag um 16 Uhr beruhigt den Laptop zuklappen und in das Wochenende gehen – weil man weiß, der Mitarbeiter hat sein Ticketportal und seine Hotline, wo ihm geholfen wird.

    Fazit: Global Application Services als hervorragende Lösung für Carve-outs

    Das Beispiel Catensys zeigt, wie IT-Outsourcing strategisch genutzt werden kann, um die Herausforderungen eines Carve-outs effizient zu bewältigen. Entscheidend war dabei nicht nur die schnelle Wiederherstellung operativer SAP-Support-Prozesse, sondern auch der Aufbau einer skalierbaren, zukunftsfähigen IT-Struktur. Mit den Global Application Services der All for One Group konnte Catensys sowohl internationalen Support als auch lokale Nähe sicherstellen. Zugleich wurden die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Optimierung und Weiterentwicklung der ERP-Landschaft geschaffen.

    Die zentrale Erkenntnis lautet somit: International agierende Unternehmen, die vor einem Carve-out oder strukturellen Veränderungen stehen, sollten frühzeitig ein skalierbares Support-Modell aufbauen – idealerweise mit einem zentralen Partner, der über ein leistungsfähiges internationales Netzwerk verfügt.

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