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Was sind Super-Apps und wie können B2B-Unternehmen von einer Super-App profitieren? Mittelstand Heute sprach mit einem Experten über die Technologie.
Was sind Super-Apps und wie können B2B-Unternehmen von einer Super-App profitieren? Mittelstand Heute sprach mit einem Experten über die Technologie.
Wer schon einmal durch den App-Store auf seinem Smartphone gescrollt hat, kennt dieses Gefühl: Überforderung durch eine schiere Masse an Apps, die Lösungen oder schlicht und einfach Spaß für die unterschiedlichsten Aufgaben oder Anforderungen versprechen. Dabei gilt oft: Jede App erfüllt nur diese eine Aufgabe. Als Antwort entstehen vor allem im asiatischen und lateinamerikanischen Raum sogenannte Super-Apps – Anwendungen, die mehrere Dienste wie Messaging, Zahlungen und Buchungen in sich vereinen. Doch wird sich diese Entwicklung auch in Europa durchsetzen? Und wenn ja – wie können Unternehmen das Potenzial von Super-Apps für den B2B-Bereich aktivieren? Mittelstand Heute sprach mit Emanuele Parlato, Director Sales & Marketing bei der blue-zone GmbH, über den Mega-Trend Super-App.
Emanuele Parlato: Bei Super-Apps handelt es sich, einfach gesagt, um App-Ökosysteme, die verschiedene Funktionen aus unterschiedlichen Programmen konsolidieren. Diese Ökosysteme sind wiederum eine Folge der massiven Erfolgsgeschichte von großen Mobil-Plattformen, wie Google Play oder dem App Store von Apple.
Die schier unermessliche Anzahl von Apps, die über diese Plattformen für Smartphones angeboten werden, stellen mittlerweile auch ein Problem dar: Die Nutzer müssen – um verschiedene Funktionen abzurufen – ständig zwischen ihren Apps hin und herspringen oder für eine neue Aufgabe eine neue App herunterladen. Und das erfordert oft eine erneute Kontoerstellung und ein erneutes Eintippen von allen Anmeldeinformationen.
Modulare Super-Apps wie WeChat, die sich granular auf die Bedürfnisse der User zuschneiden lassen, haben sich als Antwort auf diese Herausforderung herauskristallisiert. WeChat ist ein chinesischer Messenger-Dienst, der um verschiedene E-Commerce- und Zahlungsfunktionen erweitert wurde. Einmal angemeldet, stehen den Nutzern alle Dienste und Anwendungen zur Verfügung, die sie nutzen möchten. Gerade im asiatischen und lateinamerikanischen Raum feiert dieses Konzept große Erfolge. Diese zentralisierten Super-Apps sind jedoch in erster Linie auf den B2C-Bereich ausgelegt. Ob dieses Konzept sich auch B2B durchsetzen wird, ist noch ungewiss. Dennoch sprechen einige Faktoren heute schon dafür.
Emanuele Parlato: Als erstes ist die enorme Funktionalität zu nennen, die über eine einzelne, übersichtliche Plattform ermöglicht wird: Ein WeChat User kann beispielsweise über die App Nachrichten schicken, Geld übersenden, ein Auto konfigurieren, einen Reinigungsdienst bestellen und noch vieles mehr. Dabei ist WeChat äußerst flexibel. Die App besteht mittlerweile aus 3,5 Millionen Miniprogrammen, die der User selbstständig jederzeit herunterladen und wieder löschen kann, sollten gewisse Dienste nicht mehr gebraucht werden.
Der ganze Alltag einer Privatperson kann über diese App abgebildet werden. Bei Super-Apps geht es aber nicht nur um eine reine Frontend-Integration von verschiedenen Diensten. Die Besonderheit in Super-Apps liegt in der Wertschöpfung, die aus der Daten- und Kontenverknüpfung verschiedenster Mini-Apps entsteht. Aus diesen Gründen halte ich das Konzept auch für den B2B-Sektor für äußerst sinnvoll.
Emanuele Parlato: Gerade im B2B-Bereich sind die potenziellen Anwendungsszenarien für eine konsolidierte Super-App zahlreich. Zum Beispiel möchte ein Mitarbeiter im Außendienst auf seine Dokumente oder Formulare zugreifen, hat aber gerade keine Internet-Verbindung. Oder ein Werker ist gerade auf dem Shopfloor unterwegs und muss dabei Daten überprüfen. Die Verknüpfung von Daten und Tools über eine zentrale, mobile Plattform kann eine enorme Arbeitserleichterung sein, die wiederum zu mehr Effizienz führt.
Die Entwicklung einer Super-App erfordert dabei eine gewisse technologische und rechtliche Grundlage. Glücklicherweise sehen wir hier mittlerweile einige Fortschritte: Auf dem Software-Markt herrscht etwa eine progressive Verschiebung von Datensilos. Das heißt: In der Vergangenheit gab es für jede Datenquelle ein eigenes isoliertes Verwaltungssystem – wie ERP für Prozessdaten, CRM für Kundendaten oder PIM für Produktinformationen. Unternehmen sind nun bestrebt, diese Silos aufzubrechen. So werden Anwendungen vorstellbar, die Geschäftsprozesse ganzheitlich gestalten – unabhängig von den darunterliegenden Vorsystemen.
Dieses gezielte Aufbrechen von Datensilos ermöglicht zudem im Folgeschritt die Automatisierung von weniger wichtigen Geschäftsprozessen, sodass sich Mitarbeiter mehr auf ihre prioritären Aufgaben konzentrieren können. Je schneller sich die Daten zwischen den verschiedenen Systemen austauschen lassen, desto effizienter gelingt den Menschen ihre Arbeit: Sei es ein Geschäftsprozess, der automatisiert oder analysiert wird; sei es im Vertrieb, etwa bei Cross- und Upselling-Empfehlungen, damit der Verkäufer die richtigen Produkte beim Kunden platzieren kann. Das digitale System der Zukunft wird nicht nur mehr Bequemlichkeit bieten, sondern eine gewisse Intelligenz aufweisen, die dem Menschen hilft, schnellere und bessere Entscheidungen zu treffen.
Auf alle diese ineinandergreifenden Digital-Trends und Herausforderungen bietet das Konzept Super-App eine überzeugende Antwort. Bei der Verknüpfung solcher Unternehmensdaten handelt es sich zudem nicht um personenbezogene Informationen, weshalb auch aus Datenschutzgründen nichts dagegenspricht. Eine B2B-Super-App ist in der Lage, rechtskonform intelligente Verknüpfungen zwischen Daten aus verschiedenen Systemen herzustellen, um deutliche Mehrwerte für den Anwender und für den Geschäftskunden zu generieren.
Emanuele Parlato: Einige Kandidaten sind auf dem Weg, eine Super-App zu werden. Aus dem Microsoft-Umfeld ist Teams das beste Beispiel. Nicht zuletzt durch Corona und die Homeoffice-Thematik konnte sich MS Teams im B2B stark durchsetzen. Mittlerweile bietet MS Teams nicht nur Chat-Funktion und Videotelefonie. Microsoft investiert auch massiv in Drittanbieter-Apps. Das Ziel ist, eine Art Super-App für den Büroarbeiter zu etablieren, die den kompletten Arbeitsalltag abbilden kann.
Was jedoch Microsoft Teams zur Super-App noch fehlt, ist die Präsenz im Mobil-Bereich. Es ist zwar ein mobiles Erlebnis möglich, aber es handelt sich nicht um ein zentrales Feature und es findet auch kaum eine Verknüpfung zwischen Daten aus verschiedenen Mini-Apps der verschiedenen Anbieter statt. Weshalb auch wenig Wertschöpfung betrieben wird, da keine Datenaggregation oder Datenaufbereitung passiert. MS Teams ist also auf einem guten Weg, sich zur Super-App zu entwickeln. Aber für Microsoft bleibt vor allem im Mobil-Bereich noch einiges zu tun.
Ein anderes Beispiel kommt aus den eigenen Reihen: unser Produkt Polumana. Bei der Polumana-App handelt es sich um eine App für Außendienstmitarbeiter im Vertrieb oder im technischen Service. Sie hat den Anspruch, alle Daten und Funktionen zu vereinen und zu bündeln, die diese Zielgruppe im Alltag braucht. Es gibt verschiedene Standardmodule, Standardprogramme und Mini-Apps, die sich zusammenstellen lassen, um den abgesteckten Aufgabenbereich eines Außendienstmitarbeiters in einem spezifischen Unternehmen abzubilden.
Aber auch wir sind natürlich noch nicht ganz am Ende des Weges angelangt. Die Entwicklung einer Super-App ist ein firmen-, wenn nicht sogar branchenübergreifendes Projekt und auch wenn wir bereits viel erreicht haben, so liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns, um tatsächlich eine einheitliche, mobile, flexible und übergreifende Benutzererfahrung ermöglichen zu können.
Emanuele Parlato: Super-Apps bündeln verschiedene Services und Datenquellen in einer Mobile-First-Lösung, die den Alltag einer gewissen Zielgruppe vollkommen abbilden kann. Daten lassen sich auf diese Weise auch automatisiert und offline bereitstellen. Im B2B-Bereich kommt dies wie bereits erwähnt vorrangig Menschen im Außendienst, im Vertrieb und Service zugute.
Diese intelligente Daten- und Softwareverknüpfung zu entwickeln und ein erfolgreiches Ökosystem aufzubauen, ist dabei keine triviale Aufgabe. Ich denke aber, dass sich diese Anstrengungen lohnen werden, denn im Konzept der Super-App liegt enorm viel Potenzial, das B2B-Innovationen fördert und Geschäftsprozesse optimiert. Super-Apps werden in Zukunft dabei unterstützen, alle Unternehmensabläufe intelligent miteinander zu vernetzen und Wertschöpfung aus den verschiedenen Datenquellen zu erleichtern.
Quelle Aufmacherbild: Adobe Firefly